Eine typische Aufgabe aus dem Bereich 1700-2000 ist folgende Zugfolge:
1.e4 Sc6 2.d4 d5 3.exd5 Dxd5 4.Sf3 Lg4 5.Le2 Lxf3 6.Lxf3 Dxd4 7.Dxd4 Sxd4 8.Lxb7 Tb8
Es gilt, innerhalb dieser Zugfolge den taktischen Schlag zu finden. Da ich mich mit dem Visualisieren von Schachpartien noch nie richtig beschäftigt habe, fielen mir die ersten Aufgaben schon ziemlich schwer. Aber hier habe ich sofort ein Problem erkannt, welches viele Schachspieler haben. Mitten in der Partie hat man eine Schlüsselstellung vor sich und man fängt an zu rechnen. Und immer wieder bricht man in der Berechnung ab und fängt von vorne an zu rechnen. Durch mein Taktiktraining konnte ich zwar meine Spielstärke steigern, aber was die Variantenberechnung betrifft, war ich teilweise hoffnungslos verloren. Und genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen ! Bis etwa 2200 DWZ kommt man damit klar, ein paar Züge zu rechnen, die Stellung im Kopf zu bewerten und dann seinen Zug auszuführen. Bis 2200 DWZ rechnen viele Schachspieler fast nur oberflächlich. Will man im Schach weiterkommen, muss man sich ins Training der Variantenberechnung stürzen. Und genau hier komme ich auf den Titel des Themas zurück. Schach ist Arbeit ! Während das Lösen von Taktikaufgaben und das Einprägen von Motiven noch sehr leicht von der Hand gegangen sind, ist das Training der Variantenberechnung absolut hartes Brot. Am Anfang denkt man, dass man das nie gebacken bekommt, aber wenn man sich mal ein paar Tage hintereinander für 30-60 Minuten durch dieses Training gequält hat, merkt man, wie es einem leichter fällt, Varianten im Kopf durchzuarbeiten. Und genau hier muss man ansetzen, wenn man im Schach besser werden will. Eröffnungstraining ist ein wichtige Sache, aber wenn man Varianten besser berechnen kann als sein Gegner, kann man auch mit 1.a2-a3 erfolgreich sein.
Das Visualisieren und das Berechnen von Varianten gehört zu den mühseligsten Dingen im Schach. Und genau hier beginnt meiner Meinung nach die echte Arbeit im Schach. Ist es nicht erstaunlich, wie diese Supergroßmeister Carlsen, Anand, Topalov usw. in den Pressekonferenzen ihre gerade gespielten Partien analysieren und dabei reihenweise ellenlange Varianten zeigen, welche sie am Brett berechnet haben ? Genau das ist es, was man als Schachspieler gerne können würde. Was diese Elitespieler leisten ist natürlich die Königsklasse und nur die Wenigsten von uns werden dieses Extrem jemals erreichen. Aber wenn wir die Variantenberechnung als eine unsere Baustellen im Schachspiel haben und daran arbeiten, kann man nur besser werden.
Ich habe die Variantenberechnung nun in mein Trainingsprogramm aufgenommen und seitdem weiß ich: Schach ist Arbeit !
