Der AGON Boykott

Klatsch und Tratsch zum Thema Schach

Der AGON Boykott

Beitragvon Topschach » Mo 22. Mai 2017, 11:16

Liebe Schachfreunde,

derFIDE Grand Prix in Moskau hat mit Ding Liren einen verdienten Sieger gefunden. Auf vielen Webseiten fand dieses wichtige Schachereignis allerdings keinerlei Beachtung. So haben sich Webseiten wie zum Beispiel Chess24 geweigert, die Partien dieses Grand Prix zu übertragen. Im Falle von Chess24 argumentierte man, dass die Firma AGON, welche sich über viele Jahre die Rechte an der Vermarktung offizieller FIDE-Turniere gesichert hat, zu viele Steine in den Weg legen würde.

Sofort wurden wieder einige Stimmen im Schachpublikum laut, dass die Firma AGON mit ihrer Kommerzialisierung des Schachs das Schach kaputt machen würde. Viele verlangen von der FIDE, den Vertrag mit der Firma AGON aufzukündigen, sodass wieder alle Schach-Events auf allen möglich Schach-Webseiten frei zugänglich sind.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Kurzsichtigkeit einige Schachspieler beweisen, obwohl der typische Schachspieler den Ruf eines sehr weitsichtiges Wesens inne hat. Die Firma AGON investiert viel Geld und Energie und ist dafür verantwortlich, dass diese FIDE-Events überhaupt stattfinden. Preisgelder, Liveübertragung, Kommentierung, usw. werden ausschließlich von AGON finanziert. Wenn nun einige einfach gestrickte Schachspieler denken, dass ohne die Firma AGON die FIDE-Events frei übertragen werden, ist dies einfach falsch. Ohne AGON finden diese Events überhaupt nicht statt!

Es ist daher völlig verständlich, dass AGON die Investitionen durch die Vermarktung der Live-Übertragungen, etc. zumindest ausgleichen möchte. Und es ist auch verständlich, dass Unternehmen wie Chess24, welche sich überhaupt nicht an den Kosten für diese Events beteiligen, der Firma AGON ein Dorn im Auge sind. Wie ein Parasit, greifen Firmen wie Chess24 die Live-Partien ab und vermarkten diese in die eigene Tasche. Für den Zuschauer ist das natürlich eine schöne Sache, wenn Jan und Svidler live über die Partien fachsimpeln und das noch dazu kostenlos für alle. Das Problem des Partien-Abgreifens existiert aber schon länger.

Noch bevor Webseiten wie Chess24 das Licht der Welt erblickten, konnte man so ziemlich jedes Event auf Chess.com, Chessbase, etc. verfolgen. Die Live-Übertragungen und die Events wurden von der FIDE oder von kleineren Veranstaltern finanziert. Auch hier gab es schon Beschwerden von den Veranstaltern, dass viele Firmen ohne sich an den Kosten zu beteiligen von den Liveübertragungen profitierten. Dann kam vor ein paar Jahren Chess24 auf den Markt und begann damit, große Events technisch für eine Live-Übertragung auszustatten. Da steckte eine Menge Manpower drin, welche auf jeden Fall sehr kostenintensiv war. Besonders gut in Erinnerung ist hier die Schacholympiade. Chess24 war es damals egal, dass Firmen wie Chessbase die Liveübertragungen abgegriffen haben und mit eigenen Kommentatoren selbst vermarktet haben.

Es hat nicht lange gedauert bis Chess24 merkte, dass sich dieses Geschäft nicht lohnt. Chess24 investiert eine Menge Geld in die Übertragungen und die Konkurrenz profitiert davon, ohne auch nur einen Cent in das Event zu investieren. Chess24 hat das Konzept umgestellt und stellte nur noch die Software- und den Server für die Partie-Übertragungen zur Verfügung. Um Kommentatoren, DGT-Bretter, Live-Video usw. mussten sich die Veranstalter fortan selbst kümmern.

Mit AGON meinte man dann, endlich wieder einen Dummen gefunden zu haben, der die Events und die Liveübertragungen finanziert. Wieder kamen die Parasiten aus ihren Löchern und fingen an, die Arbeit von Dritten auszuschlachten. Allerdings haben sie nicht damit gerechnet, wie konsequent AGON sein Recht auf Vermarktung durchsetzen will. Es kam zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, welche zwar AGON verloren hat, jedoch auf beiden Seiten viele Kosten verursacht haben. Hier musste dann auch Chess24 erkennen, dass das Prozessrisiko nicht nur aus dem Gewinn oder dem Verlust eines Prozesses besteht, sondern in jedem Fall immer ein Kostenrisiko mit sich führt. Auf vielen Kosten ist Chess24 am Ende dann auch trotz des Gewinns sitzen geblieben.

Chess24 und andere Webseitenbetreiber scheuen erneute Prozesse und machen aus der Not eine Tugend. Von Seiten der Parasiten wird argumentiert, dass diese durch das Abgreifen der Partien und der eigenen Liveübertragungen doch sehr viel Werbung für das Event machen und das doch nur von Vorteil für den Veranstalter ist. Das sich ein potenzieller Kunde jedoch für eine Premium-Mitgliedschaft bei Chess24 entscheidet und eben nicht für das Angebot von AGON, wird dabei gerne verschwiegen. Und wenn die Partien dann auch noch kostenlos live mit Kommentar von Parasiten zur Verfügung gestellt werden, steht das kostenpflichtig Angebot von AGON beim Kunden überhaupt nicht mehr zur Debatte.

Chess24 und viele weitere Schachwebseiten-Betreiber haben die Berichterstattung und die Liveübertragung des FIDE Grand Prix in Moskau ignoriert. Ob sie dies auch bei der kommenden Schachweltmeisterschaft machen werden, darf man bezweifeln.

Ich möchte an dieser Stelle einfach mal an die Vernunft aller appellieren. Die Firma AGON stellt genügend Möglichkeiten zur Verfügung, die Liveübertragungen in fremde Webseiten einzubetten. Soweit mir bekannt, gibt es auch die Möglichkeit der Drittvermarktung. Für diese Möglichkeit muss ein Webseitenbetreiber allerdings auch etwas zahlen. Aber was ist so schlimm daran, für die Arbeit die ein anderer ausführt zu bezahlen? Leistung kann nur erbracht werden, wenn alle an einem Strang ziehen und die Leistung auch honorieren.

Es ist klar, dass Schachzüge keinem Copyright unterzogen werden können, aber jeder Betreiber eines Schachservers sollte sich die Frage stellen, ob es moralisch in Ordnung ist, wenn man aus der Arbeit und aus den Investitionen anderer nur den eigenen Profit im Auge hat.

Allen Schachspielern sei gesagt, dass uns die Liebe zu diesem tollen Sport eint und wir einfach mal die Arbeit die viele in diesem Sport leisten anerkennen sollten. Wenn eine Firma in Schach investiert und von uns einen wirklich kleinen Obolus verlangt, dann investieren wir alle mit dem Bezahlen der Leistung in die Zukunft unseres Sports. Es gibt im Bereich Schach viele kostenlose Angebote, aber wir dürfen nicht vergessen, dass hinter all diesen Angeboten immer jemand steckt, der uns diese kostenlosen Angebote finanziert.

In diesem Sinne
Topschach
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AGON Gründer und Schachunternehmer Andrew Paulson gestorben

Beitragvon Topschach » Mi 19. Jul 2017, 07:42

Der Gründer der Firma AGON Andrew Paulson wurde nur 59 Jahre alt.

Traurige News:
https://www.chess.com/news/view/andrew-paulson-1958-2017-1689
Topschach
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