Ein System gegen Englisch 1.c4

Fragen zu einer Eröffnung ? Kein Problem, wir helfen Dir

Ein System gegen Englisch 1.c4

Beitragvon Topschach » Mo 9. Jan 2012, 11:33

Liebe Schachfreunde,

viele Schachspieler sind auf der Suche nach einem einfach zu lernenden System gegen die Englische Eröffnung 1.c4. Ich selbst habe vor nicht allzu langer Zeit auf 1.c4 immer mit 1...c5 geantwortet und bekam immer sehr statische Stellungen aufs Brett. Also immer sehr starre Bauernstrukturen, ohne Dynamic. Ich habe mich dann auf die Suche gemacht, ein für Schwarz einfach zu erlernendes System zu finden, mit welchem man ohne Risiko Stellungen auf's Brett bekommt, die genug Angriffspotenzial inne haben, um mit Schwarz auf den vollen Punkt zu spielen.

Ich bin mittlerweile der Meinung, daß die einzige logische Fortsetzung für Schwarz die Antwort 1...e5 ist. Warum gerade 1...e5 ? Eine berechtigte Frage. Natürlich kann Schwarz versuchen, in andere Eröffnungen per Zugumstellung zu kommen und beispielsweise Königsindisch, Grünfeldindisch oder Nimzoinidsch spielen. Das Problem hierbei ist jedoch, daß Weiß es in diesem Fall in der Hand hat, was für eine Eröffnung auf's Brett kommt. Weiß ist nicht gezwungen, seinen Damenbauern nach d4 zu spielen. Das bedeutet, solange Weiß den Zug d2-d4 nicht spielt, ist es Schwarz nicht möglich, in irgendwelche anderen System überzugehen. Solange man Weiß aber die Möglichkeit läßt, die Eröffnungsvariante seiner Wahl zu spielen, benötigt man ein umfassendes Repertoire, welches alle möglichen Systeme abdeckt. Sehr viel Arbeit und sehr viel Zeit muß man investieren, um hier voranzukommen.

Aus diesem Grund entschied ich mich, den Antwortzug 1...e5 etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und so entstand unter Mihilfe von GM Roman Dzindzichashvili unsere DVD:

http://www.topschach.de/vol2-komplettes-repertoire-gegen-p-1246.html

Auf dieser DVD werden alle sinnvollen Antwort-Möglichkeiten behandelt, welche nach 1.c4 e5 für Weiß in Betracht kommen. Ich möchte an dieser Stelle die Möglichkeiten kurz anschneiden:

Abspiel 1:

1.c4 e5
2.Sf3

Über diese Variante brauchen wir nicht viel Worte verlieren, denn hier folgt einfach:

2...e4
3.Sd4 Sc6

Schwarz kommt hier wesentlich besser ins Spiel und ich empfehle, die Partie zwischen Bent Larsen und Boris Spassky zu studieren, in welcher Spassky eindrucksvoll zeigt, wie man hier mit Schwarz auf Gewinn spielt.

Abspiel 2:

1.c4 e5
2.b3

Auch über soche Züge brauchen wir nicht viele Worte verlieren. Es sei nur soviel gesagt, daß dieser Bauernzug nicht die Entwicklung der weißen Figuren vorantreibt und ein solch langsames Vorgehen keine Gefahr für Schwarz darstellen. Für Schwarz ist es hier am Einfachsten, mit normalen Entwicklungszügen fortzusetzen. Also einfach SCHACH spielen.

Abspiel 3:

1.c4 e5
2.g3 Sf6
3.Lg2 Sc6
4.Sc3 Lb4

In einigen Fällen kommt es vor, daß Weiß den Springerzug nach c3 zurückstellt und den Läuferzug von Schwarz nach b4 verhindern möchte. Aber wenn Weiß etwas aus der Eröffnung herrausholen will, kommt er nicht um die Springerentwicklung nach c3 herum. Schwarz antwortet hier mit Lb4. Genau hieraus basiert unser System.

Weiß hat nun verschiedene Möglichkeiten die Partie fortzusetzen. Ich möchte eine Fortsetzung zeigen, welche den angestrebten Aufbau von Schwarz beschreibt:

5.d3

worauf wir mit unserem System fortsetzen und:

5...Lxc3
6.bxc3

spielen. Als nächstes muß Schwarz noch h6 ziehen um den Läuferzug nach g4 zu verhindern. Das ist eine wichtige Regel, die man sich als Schwarzspieler merken sollte. Sobald bei diesen Stellungen der Läufer von Weiß nach g4 ziehen kann, sollte man dies mit Schwarz mittels h7-h6 verhindern. Der Grund hierfür ist recht einfach. Weiß möchte gerne mit einem Läufer auf g4 den Springer c6 abtauschen und nach dem Abtausch wirkt der Läufer g2 ziemlich stark auf seiner Diagonalen. Es ist für Schwarz sehr wichtig, diesen Springer c6 zu behalten. Gleichzeitig sei noch angemerkt, daß Schwarz in unserem System ein Setup anstrebt, in welchem der Bauer nach d6 gezogen wird und anschließend der Läufer nach e6 und die Dame nach d7. Der Läufer auf e6 kann mit einem Bauern auf h6 nicht durch einen auf f3 stehenden Springer mittels Sf3-g4 angegriffen werden. Genau hierauf basiert unser System.

Generell kann ich sagen, daß der angestrebte Aufbau von Schwarz nicht einfach so von Weiß verhindert werden. Mehr Details hierzu findet man auf unserer DVD. Ist das System für Weiß vernichtend ? Selbstverständlich ist dieses System keine Widerlegung der Englischen Eröffnung. Es ist aber so, daß Schwarz die Möglichkeit hat, ganz gezielt auf einen bestimmten Stellungstyp zu spielen und hier die Motive, Strategien und Mattmuster zu lernen. Der Vorteil des Systems ist, daß man einfach mehr Wissen in den zu erwartenden Stellungen hat, als der Gegner. Wer mit Weiß 1.c4 spielt muß sich mict mächtig viel Theorie auseinandersetzen. Marin hat alleine 3 dicke Bücher zum Thema Englisch heruasgebracht. Es ist schwer vorstellbar, daß wir auf einen Spieler treffen, der sich mit allen Abspielen perfekt auskennt und überall alles versteht. Für Schwarz ist es hingegen sehr einfach, da er nur ein Setup lernen muß und die darin enthaltenen Ideen und Pläne verstehen muß.

Ganz aktuell wurde beim Tal Memorial von keinem geringeren, als Magnus Carlsen folgendes mit Schwarz gegen Vladimir Kramnik gespielt:

1.c4 e5
2.g3 Sf6
3.Lg2 h6

In der Zeitschrift ROCHADE Europa 01/2012 wird dieser Zug in der Partie sehr unwissend kommentiert. Hier schreibt der Kommentator, daß er sich fragt, wie man Schachschülern heutzutage solche Züge erklären soll. Auf den ersten Blick macht dieser Zug ja nun nichts für die Entwicklung von Schwarz, aber offenbar kennt der Kommentator den Hintergrund dieses Zuges nicht, welchen ich oben erklärt habe. Dieser Zug macht definitiv Sinn und ist Teil des schwarzen Aufbaus. Im weitern Verlauf der Partie hat Carlsen allerdings nicht den Springer auf c3 mit dem Läufer geschlagen und damit einige Tempi verloren. Nach der Partie sagte er, daß er das Abspiel grundsätzlich für spielbar halte. Recht hat er und ich bin mir sicher, daß er genau weiß, daß er bei diesem Aufbau den Springer c3 schlagen muß. Ich würde mich nicht wundern, wenn er bei dieser Partie einfach nur Varianten testen wollte, in welchen der Springer eben nicht geschlagen wird.

Viel besser ist hier die Analyse der Zeitschrift Schach 01/2012. Hier schreibt der Kommentator, daß dieser Zug sehr provokant aussieht, aber bereits seit über 20 Jahren bekannt ist. Als Urheber der theoretischen Idee hinter dem Zug h7-h6 wird Tschebanenko angegeben. Leider wird hier nicht gesagt, was genau die theoretische Idee hinter dem Zug ist, weshalb der Leser auch hier im Unwissen gelassen wird.

Wie in einem anderen Thema dieses Forums bereits beschrieben, hat auch Ivantschuk vor kurzem zu diesem System gegriffen und gegen Nakamura eine Gewinnstellung herausgeholt, welche er allerdings einzügig einstellte.

Ich freue mich, daß man dieses System nun auch im aktuellen Spitzenschach wiederfindet.

Detailfragen zu dem System werden hier natürlich gerne beantwortet.
Topschach
Administrator
 
Beiträge: 1651
Registriert: Do 29. Dez 2011, 23:42

Re: Ein System gegen Englisch 1.c4

Beitragvon Krani » Mo 9. Jan 2012, 13:17

Hallo,

ich hab mir die DVD auch gekauft, und bin dadurch auf den " Gechmack " gekommen, die Idee mit Lb4 zu spielen, in der Tiroler Landesliga gelang mir dabei mit schwarz folgender Sieg gegen den Tiroler Spitzenspieler Bernhard Mühlbacher ( Elo 2150 )

Insgesamt habe ich die Variante seit ich die DVD besitze inzwischen 8 mal gespielt, die erste hab ich noch verloren, danach aber folgten nur noch Siege und Remisen

1. c4 e5 2. g3 Nf6 3. Bg2 Nc6 4. Nc3 Bb4 5. Nd5 O-O 6. Nxb4 Nxb4 7. Nf3 (7. d3
d5 {schwarz öffnet die Stellung um seine Figuren schnell zu entwickeln} 8. a3
Nc6 9. cxd5 Nxd5 10. Nf3 a5 11. O-O Re8 12. b3 Nd4 13. Bb2 Bg4 $11) (7. d4 exd4
8. a3 Nc6 9. Nf3 d5) 7... d6 ? Ein schwacher Zug, den ich nicht mehr spielen werde - viel stärker ist hier
(7... e4 8. Ng5 Re8 9. a3 Nc6 10. d3 exd3 11.
Qxd3 Qe7 12. Bd5 (12. Bf4 d6 13. Rd1 h6 14. Nf3 Bf5 15. Qe3 Qd7 16. Qb3 Bh3 $17
) 12... Ne5 13. Qb3 c6 14. Bg2 $17) 8. O-O Rb8 9. d3 h6 10. h3 Be6 11. Kh2 Qd7
12. e4 Nh7 13. g4 Qe7 14. Be3 a6 15. Qd2 c5 16. Ng1 b5 17. b3 Nc6 18. f4 f6 19.
f5 Bd7 20. h4 Nd4 21. Ne2 Nxe2 22. Qxe2 b4 23. a3 a5 24. axb4 axb4 25. Ra7 Rfd8
26. Rfa1 Qe8 27. Bf3 Ra8 28. g5 fxg5 29. Bh5 Qf8 30. hxg5 hxg5 31. Bg6 Rxa7 32.
Rxa7 Be8 33. Bxh7+ Kxh7 34. Bxg5 Rd7 35. Qa2 Qf7 36. Ra8 Qh5+ 37. Kg1 Qxg5+ 38.
Kf1 Qf4+ 39. Kg1 Qg3+ 40. Qg2 Qxg2+ 41. Kxg2 Bh5 42. Kf2 Bd1 43. Ke1 Bxb3 44.
Kd2 g5 45. Ra1 g4 46. Rh1+ Kg7 47. Rb1 Ba4 48. Ra1 Bc6 49. Rg1 Kf6 50. Rxg4 Rg7
51. Rh4 Rg2+ 52. Ke3 b3 53. Rh8 Ra2 54. Rb8 b2 55. Rb6 Ba4 56. Rb7 Bc2 0-1
Krani
 
Beiträge: 3
Registriert: Fr 30. Dez 2011, 17:56

Re: Ein System gegen Englisch 1.c4

Beitragvon Triggerhappyfool » Mo 13. Feb 2012, 12:31

1.c4 e5
2.g3 Sf6
3.Lg2 h6
.... hab ich noch nie gesehen. Macht aber durchaus Sinn. In mehrfacher Hinsicht finde ich. C4 plus Läuferfianchetto heißt ja nichts anderes als dass Weiss es etwas zäh angehen lässt, positionell, langsam, Druck auf der Diagonalen h1/a8, d5 im Visier ... dann Lg5, tauschen, Sc3, etc. . Schwarz entgegnet prinzipiell und witzig einfach 3. h6! Freilich dann Lb4 und Tausch auf c3! Das ist ziemlich frech und sieht natürlich seltsam aus aber sagt dem Weissen gleich zu Anfang: Nee, so nicht. Weiss hat es mit seiner Strategie schwerer und wird sich sicher überlegen ob er diesen Randbauernzug bald bestrafen kann, kurz, Weiss ist ein wenig aus seinem Konzept ... und eventuell aus dem Buch, kommt natürlich drauf an wie es weitergeht. Ich denke, wenn man psychologische Gesichtspunkte mit einbezieht, ist 3.h6 tatsächlich ein äußerst interessantes Ding, wahrscheinlich ohne wirkliche Nachteile. Ich werde es auf jeden Fall in Bälde ausprobieren.
Zuletzt geändert von Triggerhappyfool am Mo 13. Feb 2012, 12:43, insgesamt 1-mal geändert.
Triggerhappyfool
 
Beiträge: 5
Registriert: Di 7. Feb 2012, 11:00

Re: Ein System gegen Englisch 1.c4

Beitragvon Triggerhappyfool » Mo 13. Feb 2012, 12:42

Betr:"Viel besser ist hier die Analyse der Zeitschrift Schach 01/2012. Hier schreibt der Kommentator, daß dieser Zug sehr provokant aussieht, aber bereits seit über 20 Jahren bekannt ist. Als Urheber der theoretischen Idee hinter dem Zug h7-h6 wird Tschebanenko angegeben. Leider wird hier nicht gesagt, was genau die theoretische Idee hinter dem Zug ist, weshalb der Leser auch hier im Unwissen gelassen wird."

Die "theoretische Idee" des frühen h6 dürfte schlicht sein, eine Gegenstrategie zu den weißen Ideen in der Hand zu haben. Ganz schlicht:
schon c4 ist ein Zug, der sich gegen d5 richtet, g3 und Lg2 sind da konsequent dabei, es folgt das natürliche Sc3 etc. Zentrumseinfluss! Lg5 und LxSf6 passt da gut rein, eleminiert die Verteidiger des kritischen Feldes. H6 richtet sich auf einfachste, elementare Art dagegen, lässt nicht zu, dass sich der Springer, der über Wohl und Wehe des Feldes d5 ein gewaltiges Wort mitspricht, abtauschen lassen muss. Eigentlich (und bizarrer Weise) ist 3.h6 eine prinzipielle Kampfansage gegen C4!
Ich denke das steckt dahinter.
Triggerhappyfool
 
Beiträge: 5
Registriert: Di 7. Feb 2012, 11:00

Re: Ein System gegen Englisch 1.c4

Beitragvon Topschach » Di 14. Feb 2012, 07:50

Hallo Trigger,

genau so ist es. Die Idee hinter h6 ist im Prinzip relativ einfach, aber wurde bisher nie richtig vermittelt. Als ich die DVD vorbereitete und auf den Zug h6 gestoßen bin, habe ich mit recht viele Partien nach 1.c4 e5 angeschaut, in welchen der Zug h7-h6 unterlassen wurde und es zu einem Läufer- oder Springerausflug auf das Feld g5 kam. Es ist erschreckend, wie schnell Schwarz hierbei eingedost wird.

Ich würde h7-h6 allerdings nicht direkt als Kampfansage gegen 1.c4 bezeichnen. Weiß hat schließlich auch die Möglichkeit, seinen Läufer c1 über b2 zu entwickeln, aber mit zwei Fianchetto-Läufern sollte Weiß keinen Vorteil aus der Eröffung beanspruchen können. So kam es ja auch in einer meiner Partien im laufendem Mannschaftskampf.

Mal schauen wie das mit 1.c4 in der Weltspitze weitergeht :-)
Topschach
Administrator
 
Beiträge: 1651
Registriert: Do 29. Dez 2011, 23:42


Zurück zu Schacheröffnungen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 0 Gäste

cron