Liebe Schachfreunde,
viele Schachspieler sind auf der Suche nach einem einfach zu lernenden System gegen die Englische Eröffnung 1.c4. Ich selbst habe vor nicht allzu langer Zeit auf 1.c4 immer mit 1...c5 geantwortet und bekam immer sehr statische Stellungen aufs Brett. Also immer sehr starre Bauernstrukturen, ohne Dynamic. Ich habe mich dann auf die Suche gemacht, ein für Schwarz einfach zu erlernendes System zu finden, mit welchem man ohne Risiko Stellungen auf's Brett bekommt, die genug Angriffspotenzial inne haben, um mit Schwarz auf den vollen Punkt zu spielen.
Ich bin mittlerweile der Meinung, daß die einzige logische Fortsetzung für Schwarz die Antwort 1...e5 ist. Warum gerade 1...e5 ? Eine berechtigte Frage. Natürlich kann Schwarz versuchen, in andere Eröffnungen per Zugumstellung zu kommen und beispielsweise Königsindisch, Grünfeldindisch oder Nimzoinidsch spielen. Das Problem hierbei ist jedoch, daß Weiß es in diesem Fall in der Hand hat, was für eine Eröffnung auf's Brett kommt. Weiß ist nicht gezwungen, seinen Damenbauern nach d4 zu spielen. Das bedeutet, solange Weiß den Zug d2-d4 nicht spielt, ist es Schwarz nicht möglich, in irgendwelche anderen System überzugehen. Solange man Weiß aber die Möglichkeit läßt, die Eröffnungsvariante seiner Wahl zu spielen, benötigt man ein umfassendes Repertoire, welches alle möglichen Systeme abdeckt. Sehr viel Arbeit und sehr viel Zeit muß man investieren, um hier voranzukommen.
Aus diesem Grund entschied ich mich, den Antwortzug 1...e5 etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und so entstand unter Mihilfe von GM Roman Dzindzichashvili unsere DVD:
http://www.topschach.de/vol2-komplettes-repertoire-gegen-p-1246.html
Auf dieser DVD werden alle sinnvollen Antwort-Möglichkeiten behandelt, welche nach 1.c4 e5 für Weiß in Betracht kommen. Ich möchte an dieser Stelle die Möglichkeiten kurz anschneiden:
Abspiel 1:
1.c4 e5
2.Sf3
Über diese Variante brauchen wir nicht viel Worte verlieren, denn hier folgt einfach:
2...e4
3.Sd4 Sc6
Schwarz kommt hier wesentlich besser ins Spiel und ich empfehle, die Partie zwischen Bent Larsen und Boris Spassky zu studieren, in welcher Spassky eindrucksvoll zeigt, wie man hier mit Schwarz auf Gewinn spielt.
Abspiel 2:
1.c4 e5
2.b3
Auch über soche Züge brauchen wir nicht viele Worte verlieren. Es sei nur soviel gesagt, daß dieser Bauernzug nicht die Entwicklung der weißen Figuren vorantreibt und ein solch langsames Vorgehen keine Gefahr für Schwarz darstellen. Für Schwarz ist es hier am Einfachsten, mit normalen Entwicklungszügen fortzusetzen. Also einfach SCHACH spielen.
Abspiel 3:
1.c4 e5
2.g3 Sf6
3.Lg2 Sc6
4.Sc3 Lb4
In einigen Fällen kommt es vor, daß Weiß den Springerzug nach c3 zurückstellt und den Läuferzug von Schwarz nach b4 verhindern möchte. Aber wenn Weiß etwas aus der Eröffnung herrausholen will, kommt er nicht um die Springerentwicklung nach c3 herum. Schwarz antwortet hier mit Lb4. Genau hieraus basiert unser System.
Weiß hat nun verschiedene Möglichkeiten die Partie fortzusetzen. Ich möchte eine Fortsetzung zeigen, welche den angestrebten Aufbau von Schwarz beschreibt:
5.d3
worauf wir mit unserem System fortsetzen und:
5...Lxc3
6.bxc3
spielen. Als nächstes muß Schwarz noch h6 ziehen um den Läuferzug nach g4 zu verhindern. Das ist eine wichtige Regel, die man sich als Schwarzspieler merken sollte. Sobald bei diesen Stellungen der Läufer von Weiß nach g4 ziehen kann, sollte man dies mit Schwarz mittels h7-h6 verhindern. Der Grund hierfür ist recht einfach. Weiß möchte gerne mit einem Läufer auf g4 den Springer c6 abtauschen und nach dem Abtausch wirkt der Läufer g2 ziemlich stark auf seiner Diagonalen. Es ist für Schwarz sehr wichtig, diesen Springer c6 zu behalten. Gleichzeitig sei noch angemerkt, daß Schwarz in unserem System ein Setup anstrebt, in welchem der Bauer nach d6 gezogen wird und anschließend der Läufer nach e6 und die Dame nach d7. Der Läufer auf e6 kann mit einem Bauern auf h6 nicht durch einen auf f3 stehenden Springer mittels Sf3-g4 angegriffen werden. Genau hierauf basiert unser System.
Generell kann ich sagen, daß der angestrebte Aufbau von Schwarz nicht einfach so von Weiß verhindert werden. Mehr Details hierzu findet man auf unserer DVD. Ist das System für Weiß vernichtend ? Selbstverständlich ist dieses System keine Widerlegung der Englischen Eröffnung. Es ist aber so, daß Schwarz die Möglichkeit hat, ganz gezielt auf einen bestimmten Stellungstyp zu spielen und hier die Motive, Strategien und Mattmuster zu lernen. Der Vorteil des Systems ist, daß man einfach mehr Wissen in den zu erwartenden Stellungen hat, als der Gegner. Wer mit Weiß 1.c4 spielt muß sich mict mächtig viel Theorie auseinandersetzen. Marin hat alleine 3 dicke Bücher zum Thema Englisch heruasgebracht. Es ist schwer vorstellbar, daß wir auf einen Spieler treffen, der sich mit allen Abspielen perfekt auskennt und überall alles versteht. Für Schwarz ist es hingegen sehr einfach, da er nur ein Setup lernen muß und die darin enthaltenen Ideen und Pläne verstehen muß.
Ganz aktuell wurde beim Tal Memorial von keinem geringeren, als Magnus Carlsen folgendes mit Schwarz gegen Vladimir Kramnik gespielt:
1.c4 e5
2.g3 Sf6
3.Lg2 h6
In der Zeitschrift ROCHADE Europa 01/2012 wird dieser Zug in der Partie sehr unwissend kommentiert. Hier schreibt der Kommentator, daß er sich fragt, wie man Schachschülern heutzutage solche Züge erklären soll. Auf den ersten Blick macht dieser Zug ja nun nichts für die Entwicklung von Schwarz, aber offenbar kennt der Kommentator den Hintergrund dieses Zuges nicht, welchen ich oben erklärt habe. Dieser Zug macht definitiv Sinn und ist Teil des schwarzen Aufbaus. Im weitern Verlauf der Partie hat Carlsen allerdings nicht den Springer auf c3 mit dem Läufer geschlagen und damit einige Tempi verloren. Nach der Partie sagte er, daß er das Abspiel grundsätzlich für spielbar halte. Recht hat er und ich bin mir sicher, daß er genau weiß, daß er bei diesem Aufbau den Springer c3 schlagen muß. Ich würde mich nicht wundern, wenn er bei dieser Partie einfach nur Varianten testen wollte, in welchen der Springer eben nicht geschlagen wird.
Viel besser ist hier die Analyse der Zeitschrift Schach 01/2012. Hier schreibt der Kommentator, daß dieser Zug sehr provokant aussieht, aber bereits seit über 20 Jahren bekannt ist. Als Urheber der theoretischen Idee hinter dem Zug h7-h6 wird Tschebanenko angegeben. Leider wird hier nicht gesagt, was genau die theoretische Idee hinter dem Zug ist, weshalb der Leser auch hier im Unwissen gelassen wird.
Wie in einem anderen Thema dieses Forums bereits beschrieben, hat auch Ivantschuk vor kurzem zu diesem System gegriffen und gegen Nakamura eine Gewinnstellung herausgeholt, welche er allerdings einzügig einstellte.
Ich freue mich, daß man dieses System nun auch im aktuellen Spitzenschach wiederfindet.
Detailfragen zu dem System werden hier natürlich gerne beantwortet.